NAS ... No Age Statement - Ist das wirklich so schlimm ?

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      Sjaunja schrieb:

      altstadtkneipe schrieb:


      Und nimmt man sich jetzt die Zahlen des älter/gleich 11 Jahre alten Malt Whisky Stocks zur Hand und rechnet sie auf die im Moment aktiven (ca. 115) schottischen Destillen hoch, so dürften durchschnittlich (!) in jedem Warehouse einer schottischen Destille achteinhalbtausend (!) solcher alter und/oder älterer Stöffchen liegen.


      Lieber Jens, ich kann Dir nicht ganz folgen. Bist Du bitte so nett und klärst mich auf? Danke!

      Meine Überlegung, bitte korrigieren wenn ich falsch liege:

      Stand Ende 2014 gab laut der SWA einen Bestand an über 11 jährigen Whisky von 228.964.170 Litern an purem Alkohol in den Warehouses. Wenn ich nun der Einfachheit halber den Alkoholgehalt im Schnitt mit 50% ansetze, schwappen insgesamt
      457.928.340 Liter Whisky in den Holzbehältern vor sich hin.
      Bei 115 Distillerien kommt so man im Schnitt auf 3.981.985 Liter Whisky pro Distille. Runden wir auf auf 4 Mio Liter.

      Jetzt wirds ein wenig Off-Topic
      Wären die nun alle in ASB's (American Standard Barrel, ca 190-200Liter) abgefüllt worden, bräuchte man dafür 20000 Fässer.
      Aber nach 11 Jahren haben die Engel bereits ca 20% davon verkonsumiert, also brauche ich tatsächlich 25000 Fässer. Pro Distille.

      Jetzt rein aus Spaß an der Freud:
      So ein Faß hat die Außenmaße von ca 90*65cm. Raumbedarf ist dann bei 65*65*90 plus Platz rundherum bei ca 70*70*100.
      Macht für 160l 11 jährigen Stoff 0,5cbm Raumbedarf. Sprich das Warehouse muss 12500cbm groß sein.
      In einem Dunnage sind zwei Lagen übereinander, d.h. 1,4m Höhe für die Fässer, dann braucht man noch 9000 qm Fläche dafür.
      Das ist ein Fussballfeld von 90*100m. Logischerweise ist die tatsächliche Höhe höher.
      In einem racked Warehouse mit 6 Lagen wären es 45*50m Fläche.

      Schon recht große Gebäude. Und das nur für über 11 jährige. Die stellen gerade mal 11% des gesamten Volumens.
      Also muss statistisch gesehen jede Distille mindestens 9 dieser Gebäude haben.

      Wo verstecken die Schotten nur den ganzen Stoff? Sicher nicht nur bei den Distillen ;)

      Es gibt ja große Lager bei Glasgow und nördlich von Edinburgh.
      Da geht es bestimmt stürmisch zu und bei Flut stehen diese bestimmt ein wenig unter Wasser, damit der Whisky ein wenig Salzwasser abbekommt..... :yes:


      Asche auf mein Haupt, Michel. - Du hast natürlich Recht.
      Ich war - im über-lesen - von 229 Millionen Litern Whisky und nicht von purem Alkohol ausgegangen...
      Das ändert zwar jetzt nicht grundsätzlich was an der Grundaussage (höchstens daß die Interpretation meiner Zahlen industrie-freundlicher ausfiele ;) ), aber ja... :rauf:
      Meine Top 3 - Whisky´s:
      Macallan 1965/2008, Fino Sherry Butt 2114 (484 Bottles) 54,1 % Scottish Liqueur Centre "Cárn Mór"
      Glenglassaugh 1972/------- Cask 2891, 59,4 % Fass-Sample (Andrea Caminneci)
      Tamdhu 1961/2000, 40,0 % Gordon & MacPhail "Rare old"



      Mitglied bei "Diem No. 2" :prost2:
      Jetzt habe ich endlich mal die Zeit gefunden, mich durch die letzten 10 Seiten dieses Threads durchzuarbeiten, und bin verblüfft, wie emotional das Thema NAS immer noch geführt wird. Deshalb würde ich hier ganz gerne ein Zitat von Ian Buxton wiedergeben:

      "The market's acceptance of extra-aged whisky, i.e. 25 years and older, has been a phenomenon that would have surprised distillers and marketers as recently as 20 years ago, when the prevailing orthodoxy was that spirit of this age was 'over-aged' ... The premium pricing associated with whisky in this category has been welcomed by the industry (and by retailers) both for the handsome profit margins it delivers and the associated trickle-down of positive imagery for the brand."
      ([i]Ian Buxton,Paul S. Hughes: The Science and Commerce of Whisky, S. 200)
      [/i]
      Mit anderen Worten: Früher war alter Whisky unerwünscht, und man hat viele Tricks angewandt, um den Kunden das alte Zeugs schmackhaft zu machen. Zudem hat man das damalige Überangebot an altem Whisky einfach klamm-heimlich in der Standard-Range mit untergemischt, denn die Altersangabe bezieht sich ja immer nur auf den JÜNGSTEN Whisky. Man konnte einen Whisky also durch das Age Statement deutlich jünger aussehen lassen, als er tatsächlich war.
      Heute hat sich die Situation geändert: Plötzlich wollen alle nur noch alten Whisky trinken. Jetzt bleiben die Brennereien auf ihrem jungen Whisky sitzen und erfinden deshalb NAS.
      Man kann es natürlich auch anders formulieren: die Whisky-Produzenten müssen mit dem Material arbeiten, das zur Verfügung steht, und haben schon immer versucht, das Beste daraus zu machen. Aber egal, wie man es sieht: der Slogan "Age matters" ist genau so eine Marketing-Kampagne gewesen wie "The wood makes the whisky."


      PS: Thomas Plaue ist übrigens ein wunderbarer Mensch, den ich sehr schätze. Und nein, ich werde nicht von der Industrie bezahlt.
      The market's acceptance of extra-aged whisky, i.e. 25 years and older, has been a phenomenon that would have surprised distillers and marketers as recently as 20 years ago, when the prevailing orthodoxy was that spirit of this age was 'over-aged' ... The premium pricing associated with whisky in this category has been welcomed by the industry (and by retailers) both for the handsome profit margins it delivers and the associated trickle-down of positive imagery for the brand.


      Interessante Info, danke! Kann das jemand aus der "guten Alten Zeit" so bestätigen? War das wirklich so, dass die Käufer lieber 12 als 25 gekauft haben?
      Hi there,

      ich denke, das kann man so nicht sagen. Vor 20 Jahren hat man kaum etwas bekommen
      auf dem eine Zahl höher als 15 Jahre drauf stand. De Luxe blends hörten bei 12 Jahren auf.

      Der Trend zu immer höherem Alter und immer höherem Preis ist tatsächlich eine Entwicklung
      das whisky booms und begann vielleicht mit der Peerless Collection von Duncan Taylor.

      Eine Sammlung von vergessenen whisky casks aus den 1960ern.... Sie hat jedenfalls gezeigt,
      daß man auch über 20 jährigen whisky vermarkten kann, der bis dato wirklich als überaltert
      und over-oaked, als zu eichig gegolten hätte.

      Greetings
      kallaskander
      Ah yes, predictability, a word that has come to define today’s whisky in so many ways.

      “Nowadays people know the price of everything and the value of nothing.”
      Oscar Wilde

      Es besteht keine Verpflichtung obigen post zu lesen, zu mögen oder zu kommentieren.
      Sollte eine persönliche Meinung enthalten sein, besteht weiter keine Verpflichtung, sich diese zu eigen zu machen.

      Johnstons schrieb:

      The market's acceptance of extra-aged whisky, i.e. 25 years and older, has been a phenomenon that would have surprised distillers and marketers as recently as 20 years ago,


      Johnstons schrieb:

      Interessante Info, danke! Kann das jemand aus der "guten Alten Zeit" so bestätigen? War das wirklich so, dass die Käufer lieber 12 als 25 gekauft haben?


      Naja, ich denke da muss man schon unterscheiden, ob es sich um irgendeinen Blend oder irgendeine OA handelt oder z.B. um einen älteren Macallan oder eine G&M-Abfüllung (z.B. Strathisla). Für die "Kenner" gab es also auch früher genügend ältere Abfüllungen zu humanen Preisen....

      Und wenn NAS dazu führt, dass ein Teil ordentlich gereifter 12yo-Malt mit einem Teil von sprittigem 5yo-Malt verhunzt wird - ich kann es z.B für den Mortlach Rare Old leider nicht anders sagen - dann kann man so eine Abfüllung, nicht mit einem guten 1979er Glen Grant 5yo vergleichen.
      Viele Grüße
      Martin

      Sjaunja schrieb:

      Ende der 90er wurden die Standards deutlich schlechter, z.B. Cragganmore 12 oder auch Bunnhabain 12. Die waren Anfang der 90er klasse.
      Nicht nur ich bin dieser Meinung.

      Stimmt, wobei ich die signifikante Verschlechterung der Standards eher um einige wenige Jahre nach hinten verschieben würde. Neben dem schon genannten Cragganmore (der Bunna 12 war nie mein Ding) würde ich hier noch den Dalwhinnie 15, den Laga 16, den Oban 14 und leider auch den Glenfarclas 15 als besonders krasse Beispiele nennen wollen.
      "If you listen to fools - the mob rules!"
      Ronnie James Dio

      Margaretemarie schrieb:

      Mit anderen Worten: Früher war alter Whisky unerwünscht, und man hat viele Tricks angewandt, um den Kunden das alte Zeugs schmackhaft zu machen. Zudem hat man das damalige Überangebot an altem Whisky einfach klamm-heimlich in der Standard-Range mit untergemischt, denn die Altersangabe bezieht sich ja immer nur auf den JÜNGSTEN Whisky. Man konnte einen Whisky also durch das Age Statement deutlich jünger aussehen lassen, als er tatsächlich war.
      Heute hat sich die Situation geändert: Plötzlich wollen alle nur noch alten Whisky trinken. Jetzt bleiben die Brennereien auf ihrem jungen Whisky sitzen und erfinden deshalb NAS.

      Das ist ja eine ganz neue Sicht der Dinge. Die armen Hersteller mussten damals den viel zu alten Stoff in den jungen verklappen um ihn los zu werden. Sie hatten schon 1994 nicht mein Mitleid als ich einen Glengoyne 21 (ich glaube damals noch mit 43 %) in der Destille deutlich teurer (schlag mich tot - ich glaube für 117 BP) gekauft habe, statt des damaligen 12er für knapp 30 BP. Trotzdem habe ich das gerne ausgegeben, weil er gut war. Der 12er, mit den verklappten alten Zeug, was, wie ich eben gelernt habe, nicht verkaufbar war, war damals im PLV deutlich schlechter. Nach meinem Geschmack. Aber, wie ich ja gelernt habe, war ich wohl die Ausnahme. Was mir jedoch nur zu denken gibt, warum haben sie den 21er, der ja angeblich schlecht und holzig war und klammheimlich im 12er verklappt werden mußte, für den vierfachen Preis versucht zu verkaufen. Ich muss da wohl noch mal drüber nachdenken.

      Auch P.S.:

      rednose schrieb:

      Den Teufel werde ich tun deswegen einen Menschen an sich zu verurteilen. Der Mann hat ne junge Familie, hat vorher für einen Finanzdienstleister und für eine Marketingfirma gearbeitet die Verkaufsförderung und Vertriebsoptimierung betreibt (Infos sind frei in seinem Facebookaccount ersichtlich).

      Margaretemarie schrieb:

      PS: Thomas Plaue ist übrigens ein wunderbarer Mensch, den ich sehr schätze.
      Gut das wir uns einig sind, das man den Menschen hinter dem Marketing auch als Menschen sehen sollte.

      Margaretemarie schrieb:

      Und nein, ich werde nicht von der Industrie bezahlt.

      Oh, muss man dies etwa extra betonen ? Muss ich dann für mich auch. Nein, ich werde nicht von der Industrie bezahlt. Und ja, ich reflektiere welchen Einfluss Plattformen und Blogs und dort geäußerte, unkommentierte und umgewertete Meinungsäußerungen im Netz-Marketing zur Verkaufsförderung heute sind.
      ___Mortlach.de

      ____ „Kühner als das Unbekannte zu erforschen, kann es sein, das Bekannte zu bezweifeln.“ Alexander von Humboldt

      Wir alle seins Brüder,
      Wir alle seins gleich!
      Hallo Rednose,

      das mag ja sein. Aber schau dir mal die Entwicklung von Cardhu an, dann wird vielleicht klarer, was ich meine. Der neue Cardhu 18 schmeckt deutlich anders als der alte Cardhu 18. Und mehr oder weniger zeitgleich gab es auch einen Cardhu 21, der doppelt so viel kostet wie Cardhu 18. Das gleiche Phänomen kannst du bei Strathisla 12 alt und neu beobachten. Früher waren in vielen Standard-Abfüllungen deutlich mehr alte Fässer drin. Heute werden alte Fässer anders und teurer vermarktet.

      Und das hängt damit zusammen, dass wir mittlerweile diesen Hype haben, dass NUR alter Whisky gut ist. Junger Whisky wird ganz häufig als Plörre, als Sch...dreck bezeichnet. Das stimmt pauschal aber nicht. Es gibt tolle Abfüllungen von Kilchoman, obwohl sie jung sind. Und auch die jungen Whiskys von Arran waren gut, sonst wären diese Brennereien pleite gegangen. Ich kenne viele gute NAS Whiskys und ich bin auch sehr neugierig auf den Laga 8. Ich finde es schade, wenn Menschen immer nur in Schubladen denken. Alter Whisky = immer toll. Junger Whisky = immer pfui. Diese Denkweise ist ein Trend, der relativ jung ist und in den letzten Jahren immer stärker wird. Und das finde ich sehr schade.

      Margaretemarie schrieb:

      Und das hängt damit zusammen, dass wir mittlerweile diesen Hype haben, dass NUR alter Whisky gut ist.

      Haben wir diesen Hype wirklich? Kann ich persönlich überhaupt nicht erkennen, auch hier im Forum nicht. Hier wird sich darüber aufgeregt, dass die Industrie vor Jahren mit dem Spruch "Age matters" warb und uns jetzt erzählen will, was für tolles Zeug NAS doch ist. Hier wird sich darüber aufgeregt, dass die Whiskys immer jünger, gleichzeitig aber teurer werden, obwohl Herstellungskosten und Alter unstrittig korrelieren. Hier wird sich, auf den Punkt gebracht, darüber aufgeregt, dass die Industrie meint uns verkackeiern zu müssen. Ich kann mich aber überhaupt nicht daran erinnern, hier je gelesen zu haben, dass junger Whisky per se immer Mist ist oder alter Schnaps immer großartig. Sonst hätte es übrigens zum Beispiel - mal nebenbei erwähnt - nie den tatsächlichen Hype um die ganzen Ledaigs gegeben, die sehr überwiegend jünger als zehn Jahre waren.
      "If you listen to fools - the mob rules!"
      Ronnie James Dio

      HamburgMalt schrieb:

      Margaretemarie schrieb:

      Und das hängt damit zusammen, dass wir mittlerweile diesen Hype haben, dass NUR alter Whisky gut ist.

      Haben wir diesen Hype wirklich? Kann ich persönlich überhaupt nicht erkennen, auch hier im Forum nicht. Hier wird sich darüber aufgeregt, dass die Industrie vor Jahren mit dem Spruch "Age matters" warb und uns jetzt erzählen will, was für tolles Zeug NAS doch ist. Hier wird sich darüber aufgeregt, dass die Whiskys immer jünger, gleichzeitig aber teurer werden, obwohl Herstellungskosten und Alter unstrittig korrelieren. Hier wird sich, auf den Punkt gebracht, darüber aufgeregt, dass die Industrie meint uns verkackeiern zu müssen. Ich kann mich aber überhaupt nicht daran erinnern, hier je gelesen zu haben, dass junger Whisky per se immer Mist ist oder alter Schnaps immer großartig. Sonst hätte es übrigens zum Beispiel - mal nebenbei erwähnt - nie den tatsächlichen Hype um die ganzen Ledaigs gegeben, die sehr überwiegend jünger als zehn Jahre waren.

      Das trifft es auf den Punkt, Jan! :1:

      Wenn die Industrie, aus welchen tatsächlichen Gründen auch immer, meint, jetzt verstärkt NAS oder junge Abfüllungen anbieten zu wollen, dann bitteschön. Aber bitte mit klaren Angaben und ohne dieses unsäglich dämliche Marketinggequatsche, ohne tatsächlichem Bezug zum Produkt. Ich bin es leid, und ich glaube mittlerweile viele andere auch, von den Konzernen für dumm verkauft zu werden. Wenn man soviel Augenmerk auf die Qualität der eigenen Produkte legen würde, wie auf den ganzen Schmonz drumherum, würden wir solche Diskussionen gar nicht führen.

      Margaretemarie schrieb:

      Und das hängt damit zusammen, dass wir mittlerweile diesen Hype haben, dass NUR alter Whisky gut ist. Junger Whisky wird ganz häufig als Plörre, als Sch...dreck bezeichnet.


      Dem ist - zumindest hier und unter den mir bekannten Whiskygenießern - nicht so! Noch ein Beispiel, das das belegt, neben all den 2005/2006er Ledaigs, ist auch die Populariät der Islay South Abfüllungen der letzten Zeit, die alle nur zwischen 7 und 8 Jahren alt waren, siehe Gruwehewwel Batch 1: Da ging die Mehrheit sogar mit der Bewertung eines Jim Murray: "beste Single Cask Abfüllung" konform.... to be contiued!
      Viele Grüße
      Martin

      Margaretemarie schrieb:

      PS: Thomas Plaue ist übrigens ein wunderbarer Mensch, den ich sehr schätze. Und nein, ich werde nicht von der Industrie bezahlt.


      Ich schätze Euch beide. Und trotzdem - oder gerade deswegen - muß ich Euch entschieden widersprechen.

      Margaretemarie schrieb:

      (Ich) bin verblüfft, wie emotional das Thema NAS immer noch geführt wird.


      Wirklich? - Diese Emotionalität ist doch dieser Spirituose immanent. Ich würde vielleicht sogar soweit gehen und sagen, daß der Whisky die mit Abstand emotionalste Spirituose ist, die es gibt. Woran das liegt? Dafür gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe. Die "Romantik", mit der die Whisky-Produktion seit gut einem Jahrhundert verklärt wurde und wird, gehört mit Sicherheit zu den Gründen. Hinzu kommen Land und Leute. Landschaften und Geschichten... Und die Zeit, die ein solcher Tropfen reifen muß, spielt ganz sicher auch eine Rolle: wie alt war ich, als der destilliert und ins Fass gefüllt wurde? Was passierte zu jener Zeit in der Welt-Geschichte (und in meiner eigenen kleinen Welt)? Was passierte (in beiden) seither?
      Und da bin ich noch nicht einmal bei dem Stoff selbst... Denn daß und wie er sich in dieser Zeit im Fass verändert, das wissen wir ja (zumeist jedenfalls) alle: substraktive & additive Reifung. Je länger, um so länger... :greenhole: (Die Wirkungen muß und will ich nicht beschreiben. - Sie werden sowieso - je nach gusto - individuell unterschiedlich bewertet.)

      Margaretemarie schrieb:

      Man kann es natürlich auch anders formulieren: die Whisky-Produzenten müssen mit dem Material arbeiten, das zur Verfügung steht, und haben schon immer versucht, das Beste daraus zu machen.


      Unterstellt, daß "das Beste daraus machen" nicht schon immer hieß: das Beste für mich (den Produzenten) daraus machen - also maximalen Profit aus meinem Tun zu erzielen -, war also die Situation "früher" (und auch über die Definition dieses "früher" muß man sich mal Klarheit verschaffen, weil "früher" heutzutage für viele eben auch schon 2005/2006 war!) eine, die mit den Intentionen des Käufers Hand in Hand ging bzw. beide miteinander Schritt hielten...
      Der Produzent versuchte, das Beste aus seinem ihm zur Verfügung stehenden Material zu machen. Und er holte aus diesem Besten das Beste für sich heraus... Er hatte (warum auch immer) ältere Fässer "übrig" (die sich dazumal in der Masse nicht am Markt verkaufen ließen? Weder als Single Malt noch in der Blended Whisky Industrie?) - Also warum damit nicht die Standard-Bottlings "pimpen"??? ;) :rauf:

      Margaretemarie schrieb:

      Mit anderen Worten: Früher war alter Whisky unerwünscht, und man hat viele Tricks angewandt, um den Kunden das alte Zeugs schmackhaft zu machen. Zudem hat man das damalige Überangebot an altem Whisky einfach klamm-heimlich in der Standard-Range mit untergemischt, denn die Altersangabe bezieht sich ja immer nur auf den JÜNGSTEN Whisky. Man konnte einen Whisky also durch das Age Statement deutlich jünger aussehen lassen, als er tatsächlich war.


      Daß "früher" alter Whisky unerwünscht (!!!) gewesen wäre, kann ich so nicht nachvollziehen...
      Wenn ich alte Berichte (u.a.a. von Barnard) lese, so lese ich kein Stirnrunzeln oder Erschrecken aus diesen Berichten heraus, daß es Destillen gibt, die dumm genug sind (oder waren), in ihren Warehouses "alte und sehr alte Fässer" zu verwahren... Es wird nicht über die Unfähigkeit der Distillery Manager geschrieben, diese alten Fässer rechtzeitig (genug) auf den Markt geworfen und sie bereits verkauft zu haben. Es wird nicht die Unsinnigkeit diskutiert, diese Ladenhüter frühzeitig genug aus dem Lager zu entfernen, um effektiver und kostengünstiger zu produzieren...
      Nein. - Ich lese aus solchen Berichten Stolz, Anerkennung und Ehrfurcht heraus. - Schaut her: solch alte Fässer gibt es in dieser Destille! :P
      Nun gut. - Man könnte dies auch Zeitgeist nennen. Oder Marketing ("age matters").
      Wir befinden uns jedoch in einer Zeit (im Falle Barnards 1885/1886), in der der Begriff "age matters" noch gar nicht erfunden gewesen sein dürfte...
      Erinnern wir uns: Anfang des letzten Jahrhunderts (erst) gab es die "What is whiskey"-Diskussion... Und erst weitere zehn Jahre später (1916?) wird ein/das Mindestalter für Whisky festgelegt... In vielen zeitgenössischen Berichten (habe im Moment leider keinen passenden zur Hand!) finden wir die Aussage, daß zu jener Zeit "Whisky" direkt von der Still weg bzw. als sehr junges Destillat verkauft (und getrunken) wird. Wir finden aber auch genügend Belege und Anzeigen/Annoncen, in denen alte (unerwünschte!?!) Whiskies beworben wurden:

      1890(the first whisky bar- Yorkshire Post).jpg 1890 (Yorkshire Post) ... man beachte die Altersangabe unterhalb der Destillen!

      1890(ca.).jpg 1890

      1884-1885(Perth Directory).jpg 1884-1885 (Perth Directory)

      Kein Wort der Abscheu gegenüber "Old Whisky". Keine Warnung vor "Old Whisky". - Im Gegenteil. Ganz offensichtlich hatte sich das Bewußtsein (parallel zum weit verbreiteten alltäglichen Verbrauch sehr junger Whiskies) dahingehend entwickelt, daß "old" kein Manko sondern ganz im Gegenteil eine zu bewerbende Charakteristik sei...

      Margaretemarie schrieb:

      Heute hat sich die Situation geändert: Plötzlich wollen alle nur noch alten Whisky trinken. Jetzt bleiben die Brennereien auf ihrem jungen Whisky sitzen und erfinden deshalb NAS.


      Nicht "heute hat sich die Situation geändert". Sondern: plötzlich wollen alle nur noch alten Whisky trinken...
      Warum das so ist, darüber kann ich nur spekulieren...
      Natürlich wird es damit zu tun haben, daß älterer Whisky (im Durchschnitt) besser als junger Whisky ist. Natürlich wird es so sein, daß man (ob nun die Entscheidung dazu bewußt gefällt oder durch die "age matters"-Kampagne dazu verleitet) lieber ältere (und damit bessere?) Whiskies trinken mag. Es wird etwas damit zu tun haben, ob man sich die besseren Whiskies wird leisten können (und wollen). Und es wird etwas damit zu tun haben, ob man den Unterschied spürt, kennt, erkennt - und weiß, was man will...

      Margaretemarie schrieb:

      Aber egal, wie man es sieht: der Slogan "Age matters" ist genau so eine Marketing-Kampagne gewesen wie "The wood makes the whisky."


      Es wird auch früher nicht jeder alte Whisky Gold im Glase gewesen sein. Aber ein Fakt ist: alter Whisky war früher mit Sicherheit nicht unerwünscht...
      Er war insofern erwünscht, als daß man mit ihm den Whisky als solchen und mit deutlichem Unterschied zu anderen Spirituosen bewerben konnte. Er war als Bestandteil guter Blends erwünscht. Und er wurde den Standards beigemengt, um deren Qualität zu sichern. - Heutzutage wird versucht, dem "age matters" den Makel einer z.T. unwahren Aussage unterzuschieben. Dies kann man erwähnen. Und man kann damit aufklären (insbesondere die jüngeren Whisky-Liebhaber). - Aber man kann den Spieß nicht umzudrehen versuchen - und dem Liebhaber weißmachen wollen, daß dies alles nur ein "Joke" gewesen sei. Mehr als 130 Jahre lang!
      Es geht nicht darum, N.A.S.-Whiskies schlechtzureden. Ich kenne selbst genügend solcher Exemplare, die mir lieb (und teuer) sind.
      Es geht jedoch darum, die (inhaltsleeren) Kampagnen der Whisky-Industrie als das zu entlarven, was sie sind: Marketing-Geschwurbel... Großangelegte Aktionen, um den Käufer zu Produkten zu überreden, die sie weder brauchen noch mögen... Das kann in der Unfähigkeit der Branche begründet (gewesen) sein, bestimmte Entwicklungen (den Single Malt Whisky Boom) vorauszusehen, vorauszuahnen, vorauszuplanen... Man könnte auch sagen: sie haben diese Entwicklung ganz einfach verschlafen... Wenn, ja wenn... sie nicht aktiv selbst an diesem Rad mit großem Schwung mitgedreht hätte. Hat sie aber... Und sie war (und ist) auf der Suche nach immer weiteren und größeren Märkten. Und verschärft damit den Druck auf die ohnehin angespannte Situation (???) in ihren Warehouses.
      Um also noch einmal auf die eingangs erwähnte Frage zurück zu kommen:

      Die Whisky-Produzenten (...) haben schon immer versucht, das Beste daraus zu machen.


      Ja. Für sich und ihr Portemonnaie. Für sich und ihre Aktien.
      Sie haben versucht, den besten Whisky zu machen? Who believes's... Wenn dem so wäre, wäre manche Entscheidung der letzten Jahrzehnte eine andere gewesen.
      DAS glaube ich sicher. Den Rest nehme ich belustigt zur Kenntnis.

      Ja, liebe Gabi. Whisky ist eine sehr emotionale Sache... Und ich finde: die Produzenten (und hier möchte ich daran gemahnen, daß Produzenten heute nur noch sehr selten Produzenten sind!) sollten sich dieses Umstandes sehr wohl wieder bewußt werden. Denn wie sagt schon ein altes geflügeltes Wort (?): Keiner hasst so sehr wie der geprellte Liebhaber...
      Und im Moment ist sich die gesamte Branche offenbar dieser Gefahr nicht bewußt. - Oder aber: sie kalkuliert glasklar und knallhart damit.
      Und da bin ich geneigt, letzteres anzunehmen. Man nimmt bewußt in Kauf, alte Liebhaber zu verprellen, weil die vielfach neu hinzukommenden diesen (finanziellen) Mißstand locker wieder wettzumachen in der Lage sind. Who cares?
      Whisky ist emotional? - Ohhhh jaaaa.... :naja:
      Und: die Wahrheit liegt im Glase. :prost:
      Meine Top 3 - Whisky´s:
      Macallan 1965/2008, Fino Sherry Butt 2114 (484 Bottles) 54,1 % Scottish Liqueur Centre "Cárn Mór"
      Glenglassaugh 1972/------- Cask 2891, 59,4 % Fass-Sample (Andrea Caminneci)
      Tamdhu 1961/2000, 40,0 % Gordon & MacPhail "Rare old"



      Mitglied bei "Diem No. 2" :prost2:
      Schoene Diskussion, danke an alle Akteure der letzten 2 Seiten!

      Und auch ich kann mich dem anschliessen - NAS ist nicht verteufelt weil jung, sondern weil die Untransparenz von der Industrie, [die mMn die letzten 2-3 Jahrzehnte (en gros) echte Qualitaetsprobleme bewiesen hat (und das laesst sich auch nicht mit 'damals wurde alles over-dressed da sie nicht wussten wohin mit dem +20yo Kram den ja keener trinken wollte' erklaeren...'), in den jetztigen Hype Jahren schamlos ausgenutzt wurde und wird. Und wie schoen im Rechenbeispiel von Sjaunja gezeigt, sehen wir jetzt erst so langsam was versucht wird dem Whisky Liebhaber da unterzujubeln (was wir ja schon zur genuege bei [mMn] verschiedenen NAS Taliskers oder Mortlachs am eigenen Gaumen erfahren durften...).

      Aber speziell hierzu, denn das trifft den Punkt:

      Margaretemarie schrieb:

      Man kann es natürlich auch anders formulieren: die Whisky-Produzenten müssen mit dem Material arbeiten, das zur Verfügung steht, und haben schon immer versucht, das Beste daraus zu machen.
      Denn - (und dies ist eine Verallgemeinerung meinerseits, trifft aber mMn fast ueberall zu, besonders aber bei den MultiNationals/ Boersen-notieren Besitzer-Konsortien...) - das 'beste' heist hier (und basiert das 'Material..., das zur Verfügung steht' auf) :
      Optimierung, Einsparung und Nivellierung.

      Was wir als Konsumenten & Liebhaber uns jedoch wuenschen, naemlich das das 'Beste' (auch) vom geschmacklichen Standpunkt beruecksichtigt wird, wird leider nur irgendwo unter 'netter Nebeneffekt' gefuehrt (solange es nicht schrecklich schmeckt, und auch dass kommt heutzutage in die Whisky-Flasche und wird mit huebschem Label & Story erfolgreich verkauft...), und das ist die eigentliche Krux (wo sich auch der Konsument an die eigene Nase fassen muss)...
      Der letzte Satz beruht natuerlich wieder einer subjectiven & emotionalen Meinung die man nur Beweisen koennte wenn man denn Mitschnitte saemtlicher internen Management-Versammlungen haette... aber der Fakt dass nicht einer von mir befragten Representanten (der MultiNationals, als auch Artisan Distilleries (die ja naturbedingt kleiner und mit weniger Kapital ausgestattet sind...) gibt es keinerlei Bestrebungen die Geschmacks-Breite der Whisky Welt von frueher wissenschaftlich zu untersuchen - will heissen, keinen, aber wirklich keinen in Schottland interessiert es worauf bestimmte Geschmacks-Erlebnisse beruhen oder wie diese heute reproduzierbar waeren (handfest erfahr-bar anhand der verschiedenen legendaeren Eras der einen oder anderen Distillerien), nach denen sich die Whisky-Liebhaber-Welt alle 10 Finger leckt...

      c.

      Margaretemarie schrieb:

      Heute hat sich die Situation geändert: Plötzlich wollen alle nur noch alten Whisky trinken. Jetzt bleiben die Brennereien auf ihrem jungen Whisky sitzen und erfinden deshalb NAS.
      Jens hat ja schon alles aus meiner Sicht sehr transparent und nachvollziehbar kommentiert, diesen Satz hier finde ich allerdings auch noch kommentierungswert. Die Brennereien bleiben ja nicht auf ihrem jungen Whisky sitzen weil alle nur noch alten trinken wollen - sie bleiben vor allem darauf sitzen, weil sie zuviel produzieren: Wenn man sich die Kapazitätserweiterungen der letzten Jahre wie bei Glenlivet anschaut und die Zahl neuer Destillerien, die aus dem Boden schießen, dann entsteht da gerade massive Überkapazität und die muss gewinnbringend weg... NAS bietet sich dafür bestens an und - das hatten wir ja schon in vielen Diskussionen hier durchgekaut - wird dann mit hübschen Marketingkampagnen garniert auf den Markt geworfen. Und genau das ist der Punkt, warum mir NAS auf den Geist geht. Die Malts mögen teilweise ja gut schmecken, wenn die Story aber wichtiger als der Inhalt wird und als Vorlage für die Preisschraube dient, wird der Konsument verarscht.
      Gruß Tim

      Samples to go: Vor dem Blindkauf mal reinschauen
      Gesuchte Malts und Grains - bitte anbieten (Samples und/oder Buddels)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „MacPhil“ ()

      altstadtkneipe schrieb:

      Und erst weitere zehn Jahre später (1916?) wird ein/das Mindestalter für Whisky festgelegt...


      Es war 1915 wo das erste mal eine Mindestlagerzeit festgelegt wurde, in diesem Fall 2 Jahre.
      Dies wurde dann 1916 auf die bis heute gültigen 3 Jahre festgesetzt.


      ..... passt doch, zum 100-jährigen Jubiläum "dürfen" wir wieder Whisky wie vor 100 Jahren konsumieren *gg*


      Gruß, Stefan
      M*A*S*H