Auf der Suche nach einer „Lost“ Distillery
Wir Maltheads scheinen ein per se unersättliches Völkchen zu sein. Horten in unseren Schränken und Kellern mehr Pullen, als wir bei einer Lebensführung, die unsere Internisten nicht gleich ein düsteres Horrorszenario neben dem anderen malen lassen, trinken können. Treiben uns stundenlang im Cutty rum, um auf gar keinen Fall irgendwelche Wendungen des maltistischen Lebens zu verpassen. Vorsichtshalber werden dennoch regelmäßig alle möglichen Blogs und News-Seiten sorgfältig nach weiteren Infos durchkämmt. Insofern gelangt die Kunde einer neuen Destillerie in aller Regel zu einem Zeitpunkt an unsere Ohren, zu dem noch kein einziger Stein verbaut, geschweige denn die erste Mash angesetzt wurde. Was uns natürlich nicht davon abhält, fröhlich erste Fässer von dem wohlgemerkt noch nicht mal ansatzweise gebrannten Stoff zu teilen. Dies wiederum birgt freilich das Risiko in sich, im Einzelfall auch noch etliche Jahre später in ein leeres Glas zu blicken. Oder ein leeres Fass. Oder einfach – in die Leere.
Womit wir bei der Isle of Barra Distillery angekommen wären. Oder auch nicht. Jedenfalls ist es nun schon einige Jahre her, dass die Pläne besagter neuen Destillerie, die die westlichste Schottlands werden sollte, bekannt wurden. Seit 2008 gab es immer mal wieder diffuse Meldungen eines vermeintlichen Fortschritts vor Ort, diverse Fässer wurden in unterschiedlichen Foren geteilt (und natürlich schon bezahlt – die etwas andere Art des Crowd Funding), aber so richtig zu Potte kam man scheinbar nicht. Also beschloss der hier berichtende Chronist, sich bei seiner nächsten Schottland-Tour, die ohnehin auch über die Äußeren Hebriden führen sollte, auf die Suche zu machen. Auf die Suche nach einer – okay, der Titel war ein wenig reißerisch – zwar nicht verlorenen, aber immerhin bis dato nicht gefundenen Destillerie.
So eine Suche will vorbereitet sein. Was lag also näher, als sich per Mail mit folgenden Worten an das junge Unternehmen zu wenden:
„Ich habe vor, für unsere Cutty News einen Artikel über eure Destillerie zu schreiben – den Stand der Dinge, eure Pläne und Philosophie. Deshalb würde ich mich gerne vor Ort mit euch treffen, ein paar Fotos machen und mit euch über Whisky sprechen.“
Keine Viertelstunde später erreichte mich die Antwort von Peter Brown, dem Manager des Unternehmens:
„Ich wäre entzückt mich mit dir zu treffen. Wann genau bist du auf Barra?“
Noch am selben Tag wurden Daten und Handynummern ausgetauscht und bereits lose ein Termin ausgemacht. Wunderbar, dachte ich, die Story läuft.
… bis knappe vier Wochen später auf einmal eine Mail mit der Info kam, dass er zu dem angegebenen Datum nach Edinburgh müsse und den Termin leider nicht wahrnehmen könne. Ob man sich vielleicht auf dem Festland treffen könne. Wieder gab ich einen Schwung Daten durch. Einmal meldete sich Peter noch, dass er wegen eines Termins bald wieder auf mich zukäme. Danach: nichts mehr, auch auf Nachfrage wenige Tage vor Reiseantritt nicht.
Aber hey, von so etwas lässt sich ein Cutty-Reporter selbstverständlich nicht entmutigen. Also zockeln wir (mein Kumpel Roger und ich) an einem Sonntag bei strahlendem Sonnenschein von unserem Standort Castlebay aus los, mit GPS und allem drum und dran, um dem Mysterium, das da Isle of Barra Distillery heißt, zu Leibe zu rücken. Immerhin gibt es auf der Website eine sehr präzise Standort-Angabe.
Nach einem Zwischenstopp an einem herrlichen Sandstrand zur Linken biegen wir nach etwa 5 Kilometern nach rechts in die Ortschaft Borgh ab und latschen die Hauptstraße runter, bis wir an eine Gabelung kommen. Hier müsste jetzt rechter Hand die Destille zu sehen sein. Wir sehen – saftig grüne Hänge, für die sich jedes Schaf begeistern könnte. Ansonsten: nichts. Ganz oben am Hang ist ein offenbar nicht mehr genutztes Gebäude zu sehen, das aber garantiert nichts mit einer Destillerie zu tun hat. Ohnehin führt dort nur ein unbefestigter Weg hin, der unmöglich von schweren Lkws befahren werden könnte, ohne die es in der Whisky-Industrie kaum geht.
Wir schauen uns um, nachdem wir uns per Google Maps noch einmal versichert haben, dass wir eigentlich goldrichtig positioniert sein müssten, suchen die Gegend akribisch durch das Tele ab. Aber es bleibt bei: nichts, nada, niente.
Hier sollte sie eigentlich sein - sieht aber nicht wirklich nach Destille aus
Da wir in Borgh außer einem gelangweilten Hund kein Lebewesen treffen, das wir nach der Destille fragen könnten, geben wir schließlich auf und wollen uns ein Taxi rufen. Dabei am Telefon die erste Probe aufs Exempel: „Wir hätten gerne einen Wagen zur Destillerie.“ „Häh?“ „Okay, wir warten am Ortsausgang von Borgh.“ „Alles klar!“ Als wir später in der Droschke hocken, die eindeutig von einem Einheimischen gelenkt wird, versuchen wir es erneut. Darauf die Antwort: „Habe ich vorhin also doch richtig verstanden. Aber von welcher Destillerie sprichst du denn da?“ Als ich es ihm erklärte, bestätigte er das, was auch unsere Augen uns schon verraten hatten: „Hier gibt es keine Destillerie.“ In unterschiedlichen Variationen haben wir die gleiche Auskunft auch abends beim Essen und im Pub von den Einheimischen erhalten. Immerhin waren darunter auch zwei Leute, die zumindest schon davon gehört hatten, dass da wohl was geplant sei, nur um hinzuzufügen, dass die noch nicht angefangen hätten – und dies mit einem Gesichtsausdruck, der eindeutig zu fragen schien, wie wir denn auf eine derartig verrückte Idee kommen konnten.
Zurück in Deutschland, wollte ich es aber damit nicht bewenden lassen und habe Peter per Mail folgende Fragen geschickt:
„1. Da ich die Destillerie an dem im Internet angegebenen Ort nicht finden konnte und es nicht mal die kleinsten Hinweise darauf gab, dass dort irgendwas gebaut würde – wie würdest du den aktuellen Status deines Projektes beschreiben?
2. Nach Gesprächen mit etlichen Einheimischen habe ich den Eindruck gewonnen, dass bislang noch gar nichts gebaut oder errichtet wurde. Dein Kommentar dazu?
3. Selbst, wenn du weiterhin den Plan verfolgen solltest, an dem angegeben Ort eine Destillerie zu bauen: Wie soll das logistisch funktionieren? Der kleine aus dem Ort führende Weg machte auf mich nicht den Eindruck, als könne er von Lkws befahren werden.
4. Wie sieht dein aktualisierter Pan für die Destillerie aus? Wann soll der erste New Make in Fässer abgefüllt werden?
5. Nach meinem Kenntnisstand hast du vorab bereits eine ganze Reihe von Fässern mit New Make verkauft. Was kannst du den Käufern über den Stand ihres Investments sagen?“
Offen gestanden, hatte ich nicht unbedingt mit einer Antwort gerechnet, die dann aber doch gute drei Stunden später kam:
„Es ist schade, dass wir uns nicht vor oder nach deinem Aufenthalt auf Barra treffen konnten. Als mir klar wurde, dass ich dir nicht mehr geantwortet hatte, war es bereits Ende September (und damit nur wenige Tage nach unserer Abreise – Anm. des Verfassers), wofür ich mich entschuldigen möchte. Ich war zu der Zeit leider sehr beschäftigt, weswegen ich mich auch nicht auf der Insel aufgehalten habe.
Nun zu deinen Fragen:
1. Auf dem Gelände gibt es noch kein Gebäude, da wir mit dem Bau noch nicht begonnen haben. Möglicherweise ist dir der neue Strommast samt Schaltkasten aufgefallen, der mit unseren vier Windturbinen verbunden werden soll.
2. Stimmt, ein Gebäude gibt es dort noch nicht. Was viele Einheimische allerdings nicht wissen, ist, dass wir am Loch Uisge bereits vier Windturbinen errichtet haben. Diese wurden per Hubschrauber dorthin geschafft, da es keine Straße den Berg hinauf gibt. Da die Turbinen von der Straße aus nicht zu sehen sind, wissen die meisten Leute nichts von ihrer Existenz.
3. Der Weg, den du erwähnst, wurde von dem örtlichen Transportunternehmer gebaut. Er hat mir versichert, dass er dort schon mit schwerem Gefährt unterwegs war und der Weg über ein gutes Fundament verfügt. Allerdings werden wir ihn zweifellos noch asphaltieren müssen.
4. Gerade gestern erst habe ich mit einem möglichen weiteren Investor gesprochen. Dies ist insgesamt ein fließender Prozess. Sobald wir die nötige Summe beisammen haben, werden wir mit dem Bauen beginnen. Das Land gehört uns bereits, und alle notwendigen behördlichen Genehmigungen liegen uns vor – wir sind also startbereit.
5. Wie du ganz richtig beobachtet hast, haben wir einige wenige Fässer vorab verkauft, was für die Deckung früher Ausgaben sehr hilfreich war. Ein oder zwei Fassinhaber wollten nicht mehr länger warten und haben ihr Geld zurück bekommen, der Rest aber hält weiter zu uns. Denen ist klar, dass es ein langer Weg ist, aber wir geben nicht auf. Ganz im Gegenteil bin ich im Moment so optimistisch wie schon lange nicht mehr.“
Soweit Peter. Nach all dem habe ich eine Weile gegrübelt, wie mit dieser Geschichte umzugehen sei, da gerade eine so ausführliche Schilderung schnell als Nabelschau missverstanden werden könnte. Hoffentlich geschieht dies hier nicht, denn dieser Weg wurde nur aus einem Grunde gewählt: damit jeder sich so unbeeinflusst wie nur möglich seinen eigenen Reim auf die Geschichte machen kann. Eure Einschätzung würde uns dabei schon sehr interessieren - wie übrigens auch Rückmeldungen von Maltheads, die an Fassteilungen teilgenommen oder vielleicht sogar initiiert haben...
Website der Destillerie
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Ronnie James Dio
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