Scottish Leader

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      Scottish Leader

      Tasting Notes:Scottish Leader Original / Blended Scotch Whisky / NAS / bottled 2017 (vermutlich) / 40% Vol.

      Urlaube sind ja etwas Feines. Da tourt man gemütlich entlang der Ostseeküste und durch das Hinterland von Estland, und findet sich irgendwann beraubt des zu Reisebeginn erstandenen Whiskyvorrats vor den Supermarktregalen des örtlichen Selver-Markts, am Ehesten zu vergleichen mit unseren REWE-Märkten – auch im Whisky-Portfolio, dass je nach Markt mehr oder minder üppig daher kommt. Die Urlaubskasse ist zunehmend geräubert und gleichzeitig siegt die Neugier und ein 200ml-Fläschchen des dort sehr verbreiteten Blends Scottish Leader Original landet im Einkaufskorb.

      Scottish Leader ist eine Blend-Marke der ursprünglich 1948 in London gegründeten Burn Stewart Distillers Company. Diese wurde 1988 von einigen führenden Figuren der Whisky-Industrie um den ehemaligen Finanzchef von Hiram Walker, Fraser Thornton, erworben. 1990 kauften diese die Deanston Distillery, 1993 Tobermory und 2003 schließlich auch noch Bunnahabhain (mitsamt der Blend-Marke Black Bottle) von der Edrington Group. Da befand sich Burn Stewart allerdings bereits seit einem Jahr im Besitz des Finanzinvestors CL Financial aus Trinidad, der seinerseits aber nach finanziellen Schwierigkeiten die Marke samt ihren drei Brennereien 2013 an die südafrikanische Distell Group veräußerte, in der sie bis heute beheimatet sind.

      Der Scottish Leader, seit 1976 in dieser Form auf dem Markt aber erst seit den 2000er-Jahren wirklich verbreitet, wird derzeit bei Deanston produziert, naheliegend also, dass der Perthshire-Malt auch der Leadmalt des Blends ist, ergänzt mit den übrigen hauseigenen Malts von Tobermory – vielleicht auch minimalen Anteilen von Bunnahabhain und weiteren zugekauften Malts. In der Produktion wird bis heute stark auf „Handarbeit“ gesetzt und der Scottish Leader erscheint anders als viele der industrieller gefertigten Blends Batch-basiert und mit einem hohen Single-Malt-Anteil, zumindest was meine dazu bislang gefundenen Angaben aussagen. Aktuelle Informationen sind etwas spärlich gesät, da sich die
      Marke nach einem Relaunch 2014 augenscheinlich derzeit erneut in einer Überarbeitung befindet und auch die internationale Homepage unter dem Motto „A Change of Perspective“ nur ein Übergangsstartbild zeigt – aber
      vielleicht können die Deanston-Spezialisten hier ja noch weitere Ergänzungen liefern...

      Nun aber zum Blend itself: Vorweg geschickt sei, dass der bernsteinfarbene Scottish Leader durchaus Geduld und Zeit im Glas benötigt und verdient. Frisch eingeschenkt schiebt er zunächst doch schon recht penetranten Orangen-Traubenzucker, Jelly Beans und Apfel-Hubba-Bubba-Kaugummi bis hin zu einer leichten Klebstoff-Note in die Nase. Mit einigen Minuten Luft aber setzt aber eine schöne Entwicklung ein: Sherry-Noten von Rosinen im Christstollen, Sauerkirschen und getrocknete Ananas vermischen sich mit zwischen den Fingern zerriebenem Zitronengras und Grapefruit. Die vormalige Penetranz findet sich noch in etwas harzigem Holz und Tomatenstengeln wieder, darüber liegt jetzt aber eine sanfte Honigsüße, im Hintergrund schimmert ein Hauch von Torfigkeit durch, allerdings keinesfalls so prägnant, medizinisch, spitz oder aschig wie oft bei Islay-Torf, sondern eher erdiger und voller Festlandtorf, der weit entfernt am anderen des Tals zum Trocknen aufgeschichtet und allenfalls zu erahnen ist.

      Sanft, süß und cremig stehen zunächst Vollmilchschokolade und Honig am Gaumen im Vordergrund, begleitet von Walnuss und Malz, die parfümige Nase kehrt mit Rosenwasser, Tomate und mehligem Apfel zurück, auch hier ein Hauch von Eiche und Festlandtorf.

      Leider, wenn auch nicht überraschend bei 40 Volumenprozenten, fällt der Nachhall eher kurz aus. Leicht säuerlich und bitter, ähnlich wie die Erinnerung an Bitter Lemon oder auch leicht prickelnd wie nach einem halbtrockenen Sekt, ist dies die schwächste Seite des Scottish Leader. Immerhin sind wirklich intensive Apfelschalen, etwas Malz und torfige Erinnerungen aus der Ferne auch nach einiger Zeit noch zu erahnen.

      Eine Überraschung auf jeden Fall, und durchaus eine Positive, dieser Scottish Leader Original. Keine Komplexitätsbombe und auch kein filigranes Kunstwerk. Aber ein grundsolider Blend mit spürbarer Entwicklung im Glas und ausgewogenem, interessanten Charakter. Außerhalb Europas ist er wohl mitunter auch mit 43 statt den bei uns üblichen 40% erhältlich. Reine Malt-Enthusiasten werden ihn vielleicht zu dünn finden oder die parfümigen Grain-Noten ablehnen – wer aber auch mit dem ein oder anderen modernen Blend als All-Day-Dram oder fundierte Cocktail-Basis etwas anfangen kann, könnte hier durchaus mal – nach der entsprechenden „Atempause“ - reinschnuppern …
      "If you're lucky enough to enjoy a nice dram you're lucky enough"