Kleiner Reisebericht: Mitten in der Coronazeit nach Schottland fahren? Wie kommt man denn auf die Idee?

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      Kleiner Reisebericht: Mitten in der Coronazeit nach Schottland fahren? Wie kommt man denn auf die Idee?

      Die einfache Antwort: wir haben unsere Buchungen einfach nicht storniert. Ende letzten Jahres hatten wir schon die Amsterdam - Newcastle Passage festgemacht, eine Woche Ferienhaus in Dumfries&Galloway gebucht, eine Zwischenübernachtung im Bluebell Cottage in Kennacraig ausgemacht und entspannende zwei Wochen Port Ellen angemeldet. Am 11.7. sollte es losgehen. Mit Covid begann dann eine spannende Zeit, so lange aber eine nach unserer Einschätzung gewisse Möglichkeit für die Reise bestand, wollten nicht vorschnell alles absagen. Mit den ersten Plänen, wie denn eine mögliche Lockerung in UK bzw. in Schottland aussehen könnte, keimte schon etwas mehr Hoffnung. Wenn der 3 Wochen Rhythmus für die offiziellen Einschätzungen eingehalten würden, könnte es klappen. Und so blieben wir auch standhaft, als unsere Ferienhausvermieterin fragte, ob wir nicht vielleicht doch lieber auf 2021 gehen wollten, lasen regelmässig und intensiv BBC Scotland und BBC Coronavirus Meldungen und Kommentare und fragten unsere Bekannten, wie denn ihre Einschätzung sei.

      Zwei Wochen vor dem Reisetermin rief dann Calmac an und fragte, ob wir denn bei unserer Buchung bleiben wollten - ja, bitte, unbedingt... Klasse, das war eine der großen Unsicherheiten gewesen, ob denn Touris wie wir schon wieder nach Islay konnten. Kurz darauf kam der (zum Glück einzige) Rückschlag - DFDS verlängerte die out of service Periode bis eine Woche nach unser Abreise. Ok, dann halt über Calais - Dover. Die Umbuchung funktionierte, dann hatten wir halt ein paar 100 Meilen England zu durchqueren...

      Es blieb die Quarantäne für Schottland. Auch hier deuteten die Zeichen auf grünes Licht, wir hatten aber ehrlich gesagt unverschämtes Glück, dass es wirklich ab dem 10.7. wieder möglich war, ohne 14 Tage Zwangsquarantäne offiziell nach Schottland zu reisen. Und so gings es dann am 11.7. sehr früh in der Nacht los.

      So eine Anreise aus dem Rheinland bis in die Lowlands besteht dann aus gut 1250km. Wir wechselten uns regelmässig ab, erlebten auch in UK leere Straßen und keinen einzigen Stau und wir sahen nach der Fähre (zwei Wochen lang) kein einziges Autokennzeichen vom Kontinent mehr. Bei einer kleinen Rast in der Nähe von Nottingham wurden wir komisch angeschaut, weil wir zur Kaffeeversorgung als Einzige der Gäste Masken trugen. Da wir die Frühfähre erwischt hatten waren wir nach einem kurzen Turboeinkaufsstop bei Tesco gegen 19:00 im Ferienhaus. Das ging schneller als befürchtet.

      Wir hatten ein kleines Ferienhaus in Alticry gemietet, mitten im Nichts, hinter einer Farm, sehr gemütlich mit Blick aufs Meer mit dem Mull of Galloway Lighthouse von der Terrasse und aus dem Schlafzimmer. Ein Fuchs spielte an dem kleinen Waldstück nebenan und die Kühe, Schafe und Midges kamen abends neugierig vorbei. Traumhaft einsam.



      Die Gegend war uns bisher unbekannt, hat uns aber wirklich gut gefallen. Sehr ländlich, eine schöne Küste mit den Cliffs of Whithorn in der Nähe. Wigtown war natürlich mit dem Bookshop ein Pflichtbesuch, zum Glück machte er in der Woche wieder auf, so dass wir noch hineinschauen konnten und in wirklich vielen alten Büchern herumstöbern konnten und auch den erschossenen Kindle zu Gesicht bekamen. Als wir ankamen, waren die Pubs zum drinnen Essen noch gesperrt, so geschah es, dass wir zweimal in Isle of Whithorn am Hafen draussen saßen und bei gemütlichen 14 Grad mit wenigen Regenschauern lecker Essen und Craft Beer geniessen konnten. Ein Ausflug führte uns rund um Loch Trool im Galloway Forest Park, so konnten wir immerhin ein paar Kilometer vom Southern Upland Way wandern und bei Bruce's Stone vorbeischauen. Ein anderer Ausflug ging zum Mull of Galloway, auch dort ist eine Klippenrunde empfehlenswert.



      Whiskytechnisch war leider der angedachte Besuch bei Annandale der Anreise von Dover zum Opfer gefallen, Bladnoch war gesperrt und auch auf der Weiterreise standen wir bei A.D.Rattray vor verschlossenen Türen. Und auf der Kanalfähre war es auch schwierig einen interessanten Urlaubstropfen für unterwegs zu finden, spontan kam dann der
      Glenfiddich Vintage in den Korb, der mich durchaus positiv überraschte (leicht rauchig, geschmacklich sehr rund und überraschend voller Geschmack und Nachgeschmack bei 40%).

      In den Städtchen wie Newton Stewart, Wigtown oder Whithorn war auch noch recht viel geschlossen, aber die ersten vorsichtigen Öffnungen gingen los (Campingplätze, Hotel, Pubs). Wir wurden gerne empfangen, viele Gesprächspartner freuten sich darüber, wieder Gäste zu sehen. Wir bekamen oft zu hören, dass sich Deutsche leider dort so rar machen, weil sie immer nur in den hohen Norden wollen. Natürlich war Corona immer das Hauptthema und wir wurden gefragt, ob wir an der schottisch-englischen Grenze Demonstranten, Fahnen o.ä, gesehen hatten (...hatten wir nicht...). Eine von Einigen angestrebte stärkere Abgrenzung zu London war mehr als einmal Gesprächsthema.



      Auf dem Weg nach Islay haben wir dann (viel zu kurz) die Ayrshire Küste genossen. Die wäre auch mal einen längeren Besuch wert, Natur und Kultur vom Feinsten. Unser Geocaching Hobby brachte uns dann noch beim Electric Brae vorbei (eine optische Täuschung, man glaubt man rollt im Auto den Hügel hinauf) und wir wollten durch Cowal fahren und sind deshalb mit der Fähre von Gourock nach Dunoon gefahren. Hier in Cowal haben wir gleich den nächsten Spot identifiziert, den wir einmal genauer kennenlernen wollen, den Argyll Forest Park. Wir sind ein Stückchen ins Pucks Glen hineingewandert - wunderschön! Auch die Fahrt nach Portavadie ist schön, macht Spaß und zeigt interessante Ecken und einen tollen Ausblick auf Bute. Das ist sicherlich keine Abkürzung zur üblichen Strecke nach Islay über den Rest and Be Thankful - aber wenn man etwas mehr Zeit hat eine willkommene Abwechslung.



      Und wenn man mal abends in Tarbert landet, das Wetter noch mitspielt und man Lust auf etwas Bewegung hat - es gibt eine kleine Wanderschleife am Castle vorbei das erste Stückchen Kintyreway entlang mit sehr schönen Blicken über Loch Fyne und Tarbert.

      Eine Nacht im Bluebellcottage und dann ab auf die Finlaggan. Wenig los. Sehr, sehr wenig los. Kein Mezzaninedeck, vier große Trucks, vom Rest blieb ein Drittel frei. 4 foot passenger, 1 Biker, 1 Fahrradfahrer. Und das setzte sich auf Islay so fort. Sehr wenig los. Die Hälfte der Hotels geschlossen, fast alle B&B geschlossen, ein paar self catering homes geöffnet. Ardnahoe und Kilchoman offen, der Rest zu.

      Jeder winkt Jedem, beim Islay Butcher steht ein Schild im Fenster - nicht mehr als ein non-resident gleichzeitig im Laden zugelassen. Man ist vorsichtig, wir bekommen ein paar misstrauische Blicke, aber mehr Offenheit, Freude dass jemand kommt und Interesse, wie es kommt, dass wir schon da sind. Persönliche Zugewandheit, viele ehrliche Meinungen, dass es herrlich ruhig, aber auch gespenstisch einsam gewesen ist in den vergangenen Wochen.



      Kleiner Whiskyeinschub:
      Kilchomans neues Visitor Center ist groß und nett geworden, als wir da waren, war es noch sehr leer. Da passen sicher ganze Busladungen Besucher problemlos rein. Sie geben sich richtig Mühe. Bei schönem Wetter versuchen sie Tastings am Strand, es gab erste Führungen. Ein 11 Jahre Distillery only Sherry matured war recht lecker, schön
      pfeffrig, dezent vom Sherryton und nicht allzu modern-dunkel, mehr klassisch. 114 Pfund war aber auch ne Ansage.



      Ardnahoe ist etwas normaler geworden, nicht nur Edelklamotten und Kinship Serie. Gutes Essen, leckere Kuchen mit schönem Blick und die Whiskykarte ist auch ok. In Vorbereitung ist ein Warehouse tasting mit 5 Fässern (u.a. soll ein 22yo Glenburgie und ein 14yo Highland Park dabei sein), Preis soll bei 30 Pfund liegen. Da wären wir dabei
      gewesen, gabs aber noch nicht. Wir haben Iain McArthur auf seinem Traktor getroffen. Er denkt derzeit drüber nach ob er wirklich im November bei Lagavulin aufhört, er spielt mit dem Gedanken bis zum nächsten Feis zu verlängern wenn der Arbeitgeber mitspielt. Überhaupt waren alle entspannt und hatten gefühlt noch mehr Zeit als sonst zum Austausch, zum Unterhalten, zum Fragen. Ron von Ardbeg (wir trafen ihn bei einem sonntäglichen Charite Teeausschank für die Parkinsonhilfe am Distillery Path) sagte es seien noch viele Committee Bottlings übrig, sie wüssten aber nicht wann sie wieder aufmachen dürfen. Dafür begegneten uns vier große, grün gestrichene Tanks auf Tiefladern, die Richtung Ardbeg fuhren.



      Bei Port Ellen ist nach dem Abriss erstmal alles eingestellt, es sind zwar einige Handwerker auf der Insel aber nicht dort im Einsatz. Bei Bunna ist der neue Parkplatz fertig und das neue Gebäude vorne links, ich glaube das wird das neue Visitorcenter. Es gibt Ladesäulen für E-Autos. Bei Bowmore sind alle wehenden Fahnen völlig zerfetzt, bei Laddie wird umfangreich renoviert, gestrichen und geweisst. Zu Caol Ila war die Straße noch gesperrt.

      Völlig überraschend ist die Baustelle vor Laphroaig immer noch da, eine Fahrbahn mit Hütchen abgesperrt. Meine ersten Bilder davon sind inzwischen drei Jahre als glaube ich ;-). Ballygrant Inn mit der netten Bar war auch immer zu wenn wir da waren, anscheinend nur auf Sonderanforderung geöffnet. Das war schade.



      Wir hatten schon mehr Drams im Glas bei einem Aufenthalt auf Islay - das war uns aber ziemlich egal. Wir konnten schön wandern, einfach am Strand oder auf den Felsen sitzen, erst eine Woche später sahen wir das erste Auto aus Belgien und wenig später auch ein erstes deutsches Fahrzeug. Wir konnten wie üblich lecker im Port Charlotte
      Hotel essen gehen, versorgten uns auch mal selbst oder holten uns etwas aus dem Sea Salt. Den neuen Imbiss bei der Port Ellen Distillery haben wir auch mal ausprobiert. Neu ist ein Ökoladen in Bowmore, die Peatzeria war noch zu. Ein Ausflug zum Soldiers Rock war klasse und wir haben es auch auf den Beinn Uraraidh geschafft, dort ist 1951 ein U-Jagd Flugzeug aus Nordirland zerschellt und die Trümmer liegen noch weit verteilt herum. Sogar die Hides des RSPB waren gesperrt, dann konnten wir uns halt nicht
      verstecken wenn wir mal nach Vögeln Ausschau hielten. Zum ersten Mal sind wir durch den Wald von Finlaggan nach Bunnahabhain gelaufen, mal was anderes auf Islay. Es bleiben aber immer noch Spots an denen wir noch nicht waren für die nächsten Aufenthalte.



      Zurück ging es dann von Newcastle nach einer Zwischenübernachtung in der Nähe von Glengoyne. Wir hatten dann gleich den ersten Tag erwischt, an dem sie wieder Tastings veranstalten, klar mussten wir dabei sein. Kleine Teilnehmerzahl, vorbereitete Tischchen im 2m Abstand im Tasting Room mit Miniaturen, Praline, einem Stückchen Stave und dazu gab einen kleinen Bildervortrag. Nett gemacht, so konnten wir die Distillery only Abfüllung probieren, recht lecker, aber mit 150 Pfund für meinen Geschmack klar zu teuer.

      Auf der Nordseefähre war alles gut. Es war nur das Buffettrestaurant geöffnet, Essen muss vorher gebucht werden, es gibt eine kleinere Auswahl an Hauptgerichten. Die Vorspeisen und Nachspeisen gibt es in einzeln verpackten Portionen. Ganz gut geregelt.

      Insgesamt war es ein kleines bischen speziell. Wir hatten sehr viel Glück, dass das überhaupt funktionierte, konnten die Zeit in Schottland aber geniessen. Die Einschränkungen bei uns waren ja deutlich leichter als in Schottland, das hat dort schon jeden ziemlich stark betroffen. Es gibt insgesamt mehr Angst und Bedenken, aber andererseits auch (zumindest in den ländlichen Gebieten in denen wir unterwegs waren) viel Vorsicht, Ernsthaftigkeit und Regeltreue zu allen Auflagen, gepaart mit Zuversicht. Gerade auf der Insel sind sie zusammengerückt.



      Wir hoffen, dass beim nächsten Besuch auch wieder mehr "mediterrane" Leichtigkeit möglich sein wird und dass bis dahin alle gesund und munter bleiben.

      PS: Stand vorgestern abend gab es auf Islay noch immer keine Coronainfektion. Bleibt zu hoffen, dass es dabei bleibt…

      Glenturretsyndrom schrieb:

      P.S.: Wo sind denn die Seehunde in der Glaskugel?!?


      ..die wollten einfach lieber weiter im Wasser rumlümmeln :smoke:

      Ich hab bei meinen ersten Glaskugelexperimenten gemerkt, dass es ganz schön schwierig ist die Kugel irgendwo stabil hinzustellen und dann auch noch das Motiv halbwegs abzubilden. Aber wenn man genau hinschaut, da ganz rechts am Rand, da wo sie immer rumliegen, da könnte so etwas sein, unter den Reflexen der Häuser hinter dem Fotografen, man kann es nur nicht erkennen, aber ich weiss da waren welche... :)

      berneray schrieb:

      Glenturretsyndrom schrieb:

      P.S.: Wo sind denn die Seehunde in der Glaskugel?!?


      ..die wollten einfach lieber weiter im Wasser rumlümmeln :smoke:

      Ich hab bei meinen ersten Glaskugelexperimenten gemerkt, dass es ganz schön schwierig ist die Kugel irgendwo stabil hinzustellen und dann auch noch das Motiv halbwegs abzubilden. Aber wenn man genau hinschaut, da ganz rechts am Rand, da wo sie immer rumliegen, da könnte so etwas sein, unter den Reflexen der Häuser hinter dem Fotografen, man kann es nur nicht erkennen, aber ich weiss da waren welche... :)


      Ja, so langsam sehe ich sie auch, man muss nur lange genug in die Kugelschauen und die Augen schließen. Danke :)
      Immer schön Dram bleiben