Na ich weiß nicht....

      Elmo schrieb:


      Wie schon so oft geschrieben wurde: schöne neue Whiskywelt. ;)



      Wobei das nicht ganz so neu ist. Jim McEwan hat das schon vor 10 Jahren bei Bruichladdich gemacht. Hieß dann ACEd. Und die Distiller's Editions von Diageo sind seit Ewigkeiten ebenfalls nix anderes als Finishes. Der große Unterschied ist aber definitiv die Preisgestaltun und daß guter Whisky, der auch sonst mindestens in den Standards landen würde, verwendet wird.
      Sure they’ve always made NAS whiskies, but those were the cheapest ones. Like NAS–8–12–15–18–25. Not NAS–NAS–NAS–NAS–25. (Serge Valentin)
      Ich nehme das Signatory und Co. nicht übel und rege mich da auch nicht auf.

      Die Abfüller (UA genauso wie OA) produzieren das, was der Markt will.
      Und wenn seit Jahren die hellen (Bourbon-Cask-) Abfüllungen nicht so gut laufen und in den Regalen verstauben und
      dafür alles was dunkel ist, binnen Tagen oder Stunden ausverkauft ist, dann ist das doch nur logisch, dass der Markt
      entsprechend bedient wird.
      Und wenn man noch viele Ex-Bourbon-Casks und keine 1st fill Sherry Casks mehr hat, dann wird halt gefinished.
      Ist ja nicht zwangsläufig schlecht und seit dem Balvenie 12y Doublewood eine gute Alternative zum Vatting aus Bourbon-
      und Sherry Fässern.

      Die für mich spannendere Frage ist viel mehr die:
      Seit Ende der Ära der Transport-Casks Ende der 70er und der nachfolgend kurzen Zeit der Paxarette-Aufrischung bis Ende
      der 80er gibt es doch seit den 90ern bis auf wenige Ausnahmen nur noch Seasoned Sherry-Casks. (Richtige Bodega Fässer,
      also die aus einer Solera, waren ja eigentlich schon immer Exoten.) Und auch für das Seasoning gibt es doch in Spanien bei den
      Bodegas Regularien? Daher frage ich mich:
      Was hat sich vor ein paar Jahren geändert, dass es heutzutage so viel derart dunkles "Cola-Zeugs" zu kaufen gibt?
      Also selbst Oloroso-Fässer sind doch teilweise so dunkel, dass man sich fragt, wie aus einem bernsteinfarbenen Oloroso Sherry
      so viel dunkle Farbe ins Fass und in den Whisky gelangt!
      Rein Theoretisch werden die Fässer doch in Schottland auch alle restlos entleert??? fettgrins
      Ist das Seasoning im letzten Jahrzehnt also qualitativ so viel besser geworden? Also länger und mit qualitativ besserem Sherry?
      Oder wird da in einer Grauzone anderweitig "nachgeholfen"??? Mir kommts so vor, als geschieht das Seasoning mittlerweile mit
      Sherry-Konzentrat...

      Tja und die Preise aktuell sind fast durch die Bank weg nicht mehr nachvollziehbar, wenn man die Entwicklung der letzten Jahre
      im Hinterkopf hat. Aber auch hier: Wenn das für die Firmen funktioniert und sich die Sachen weltweit zu diesen Preisen verkaufen
      lassen, dann muss man damit leben.

      Mich freut jedenfalls jeder 20-jährige, der Whisky anstatt Rum, Gin oder Wodka trinkt und wenn der halt mit dem süßen dunklen anfängt,
      dann ist das doch auch gut. Jeder macht seine Reise und entwickelt sich. Besser als wenn sich die junge Generation garnicht mehr für
      Single Malt interessieren würde. Bei uns im Verein sind wir froh über jeden "Nachwuchs"...

      Und das schönste ist doch:
      Es gibt zur Zeit alles! Dunkle Spaßmacher genauso, wie ältere Ex-Bourbon Malts oder hellere Sherry-Vollreifungen. Beides ist sowohl
      als überteuerte Version und hier und da auch als fair bepreiste Version verfügbar. Und jeder kann kaufen, was ihm gefällt.
      Meine Samples: Samples von stollimaus: Über 100 Malts! Raritäten und Standards
      Mitglied im Whiskyclub Lichtenstein (Westsachsen) ---> Whiskyclub Lichtenstein
      Mitglied bei "Säggssche Wissgievornischdor" :prost:
      Soll ich tatsächlich noch was schreiben? Na gut ich soll und muss. Kann ja nicht zum guten Schluß so ein Quatsch hier stehen, das die Entwicklung ganz toll ist und viele neue junge Whiskyjünger bringen wird, die alle später doch noch vom richtig guten schottischen Landwein begeistert sein werden.
      Aktueller Fakt - maximal mittelalte 10-18 jährige, relativ inaktive Fässer gehen nicht in Blends oder große Batches, oder werden von vorneherein so gelagert das sie ein aktives Fass bekommen, sondern werden auch so hochpreisig verkauft. Inzwischen dann auch von namhaften UA, die eigentlich einen eigenen Stock haben, und nicht nur Armchair-UA sind, mit einem Finish verkauft, das hauptsächlich Süße und Farbe bringt.
      Darüber alleine könnte man schon genug kritisch nachdenken. Ich mag immer Analogien. Man müßte mal die Käufer dieser "Malts" fragen ob sie auch bei z.B. Rindfleisch akzeptieren würden, wenn man zwar Bio und Freilandhaltung (analogie zu ungefilltert und ungefärbt) draufschreibt aber ebenso das Fleisch statt mit Lebenzeit und richtigen Futter für die Dunkle Farbe, stattdessen in Chemiesuppe und Zucker einlegt. Ist doch super. Wenigstens werden sie keine Veganer oder wie?
      Da könnte ich immer noch mit Leben, wenn man wenigstens ehrlich und unfassend informiert. Was aber gar nicht geht, das gepanschte Zeug zu Preisen verkauft, die nichts gleichzusetzen sind mit Preisen, die eine entsprechende Reifung und Fassauswahl widerspiegeln. Nur mit der Begründung, das es doch genug gibt, die den Sch... kaufen.
      Das kann man sich jetzt schönreden mit dem Argument das die Jungen eben beim Konsumieren eines Rasenballretortenfußballkonstrukts und deren Brauseprodukte nur süßes gewohnt sind und sonst ja nicht zum Whisky kommen. Ganz ehrlich - wer glaubt den das die jemeils einen Sinn für wirkliche Qualität entwickeln werden? Ich nicht. Ich habe zu oft auf Messen erlebt wie Bert, Roland, Dominik, Glenpit oder andere, jungen, frisch begeisterten und selbst ernannten Connaisseur einen PE, einen alten Bowie oder Laphroaig, einen G&M mit 40% oder anderes ins Glas gegeben haben und diese mit wenig Begeisterung, weil eben Fasseinfluß da war, weil hell und wenig süß aber komplex und nicht in 10 Sekunden zu erfassen, das Weite der neuen süßen Whiskywelt gesucht haben. Die, die sich von dieser modernen Variante begeistern lassen, sind die, die morgen erkennen, das sie für 150,- € ganz viel andere Kultgetränke konsumieren können.
      Sei Ihnen alles gegönnt. Aber wenn ich mal ein klein wenig egoistisch bin, dann ist der dunkle elfjährige, leicht zugängliche und oberflächlich gepimpte für 150,- Ocken in 3 Tagen verkaufte Malt, der dazu führt, das ein 28jähriger echter Malt aus einem refill Sherryfass mit viel Frucht und Tiefe nicht ehrlich abgefüllt, sondern noch mal gepimt in irgendeiner Tonne mit zwei anderen Ü20 Tropfen und hauptsache dunkle und süß dann für 390,- € über die Ladentheke gehen soll. Und das ist der Grund, warum ich seit fast 2 Jahren keinen aktuellen Tropfen mehr gekauft habe.
      Könnt ihr ja mal eine Viertelstunde drüber nachdenken. Viertelstunde? Schafft ihr schon. Zum Wachbleiben ein RB trinken.
      ___Mortlach.de

      ____ „Kühner als das Unbekannte zu erforschen, kann es sein, das Bekannte zu bezweifeln.“ Alexander von Humboldt

      Wir alle seins Brüder,
      Wir alle seins gleich!

      rednose schrieb:

      Da könnte ich immer noch mit Leben, wenn man wenigstens ehrlich und unfassend informiert. Was aber gar nicht geht, das gepanschte Zeug zu Preisen verkauft, die nichts gleichzusetzen sind mit Preisen, die eine entsprechende Reifung und Fassauswahl widerspiegeln. Nur mit der Begründung, das es doch genug gibt, die den Sch... kaufen.


      Danke Markus und sehe ich genauso.
      Und dieses Totschlagargument wird ja eh verkauft, kann ich auch nicht mehr hören.
      Warum greifen insbesondere noch recht neue Whisky Begeisterte zu diesen "sonderbaren" Abfüllungen?! Es ist ganz einfach weil Sie von Industrievertretern (natürlich nicht alle, aber sehr, sehr viele) und auch von selbsternannten Whiskygurus in sozialen Netzwerken darauf getrimmt werden. Was heute zählt sind Lifestyle Events ("Hauptsache man hat Spaß") und im Grunde genommen ist das auch nix anderes als ne teurere Mallorca Variante. Wer z.B. als Moderator in einem Tasting 6 Faßstärken in höherer Alkoholkonzentration anbietet, kann meiner Ansicht nach nur ein Ziel haben. Die Runde besoffen zu machen und was bleibt sind die Erinnerungen an einen "unvergeßlichen Abend". "Weißt Du noch der rubinrote im Vergleich mit der dunkelbraunen Variante.
      Dadurch entsteht "Gruppenzwang " und beim nächsten mal wird halt die neue noch dunklere Flasche gepostet.

      Kann mich noch gut an einen in sozialen Netzwerken hoch gelobten Laddie erinnern, den ich mir als Sample besorgt habe.
      Bruichladdich 1990 Df - Bewertungen und Rezensionen - Whiskybase
      Erstaunt saß ich vor dem Glas und dachte nur (hat nix mit gut/schlecht zu tun) wie eindimensional und belanglos. Kann mir durchaus vorstellen, daß dies auch eine längere Nachreifung ist/war, die dann als Sherry Faß Reifung ausgegeben wurde. Auch hier ist eine "Grauzone", die wharscheinlich etliche ausnutzen?! Jeder 1986er Single Cask ist/war ein "Komplexmonster" dagegeben und zwei konnte ich direkt noch mit vergleichen.

      Manche Dinge muß man einfach aussitzen und die "Merkel-Strategie" ist bisweilen keine schlechte ;-)
      Wenn jemand ein Problem mit mir hat, kann er es behalten. Ist ja schließlich seins.

      stollimaus schrieb:


      [...]
      Die für mich spannendere Frage ist viel mehr die:
      Seit Ende der Ära der Transport-Casks Ende der 70er und der nachfolgend kurzen Zeit der Paxarette-Aufrischung bis Ende
      der 80er gibt es doch seit den 90ern bis auf wenige Ausnahmen nur noch Seasoned Sherry-Casks. (Richtige Bodega Fässer,
      also die aus einer Solera, waren ja eigentlich schon immer Exoten.) Und auch für das Seasoning gibt es doch in Spanien bei den
      Bodegas Regularien? Daher frage ich mich:
      Was hat sich vor ein paar Jahren geändert, dass es heutzutage so viel derart dunkles "Cola-Zeugs" zu kaufen gibt?
      Also selbst Oloroso-Fässer sind doch teilweise so dunkel, dass man sich fragt, wie aus einem bernsteinfarbenen Oloroso Sherry
      so viel dunkle Farbe ins Fass und in den Whisky gelangt!
      Rein Theoretisch werden die Fässer doch in Schottland auch alle restlos entleert??? fettgrins
      Ist das Seasoning im letzten Jahrzehnt also qualitativ so viel besser geworden? Also länger und mit qualitativ besserem Sherry?
      Oder wird da in einer Grauzone anderweitig "nachgeholfen"??? Mir kommts so vor, als geschieht das Seasoning mittlerweile mit
      Sherry-Konzentrat...
      [...]

      @stollimaus

      Farbe bekommt man noch auf anderen Wegen in den Whisky, Stichwort Bourbon.
      Vom Geschmack her hätte ich auch sofort eine Abfüllung im Kopf bei der ich vermute, dass bei dieser Farbe aus dem Umtopfen in ganz frische, stark getoastete und ausgebrannte Fässer (vielleicht sogar mehrfach) kommt. Und mit einem Sherry-Finish noch der entsprechende Geschmack drüber gebügelt wurde.

      Bzgl Regularien, wen es interessiert:
      Sherry Cask | Sherry Wines
      Dort kann man sich durchklicken. Jede Menge schöne Bilder von alten Fässern noch und nöcher. Wenn man sich die dort genannte technische Spezifikation für "Sherry Casks" mal von einem Bekannten oder auch nur einem Online-Tool übersetzen lässt, verschwindet dieses Bild aber ganz schnell wieder, versprochen :angel:

      HorrorVacui schrieb:


      [...]
      Bzgl Regularien, wen es interessiert:
      Sherry Cask | Sherry Wines
      Dort kann man sich durchklicken. Jede Menge schöne Bilder von alten Fässern noch und nöcher. Wenn man sich die dort genannte technische Spezifikation für "Sherry Casks" mal von einem Bekannten oder auch nur einem Online-Tool übersetzen lässt, verschwindet dieses Bild aber ganz schnell wieder, versprochen :angel:
      [...]


      Danke für den Hinweis!

      Als jemand der für die meisten hier vermutlich auch zur jüngeren Generation der Bullen-Brause-Whiskytrinker gehört, will ich hier auch mal meine unqualifizierte Meinung loswerden (ich hab in meinem Leben noch keinen Energydrink konsumiert). Die ein oder andere der dunklen Abfüllungen hat im Laufe der letzten Jahre ihren Weg in mein Glas gefunden. Es ist jedoch - und hier kann ich den vorangegangenen Beiträgen nur zustimmen - für mich persönlich viel interessanter, sich mit einem guten Whisky aus einem (Refill-)Bourbonfass zu beschäftigen, als mit den fleißig gefinishten, dunklen Whiskies. Irgendwann bin ich aus Sicht der Whiskyindustrie auf die schiefe Bahn geraten und hab mehr und mehr von diesen furchtbar hellen Abfüllungen entdeckt, die meistens auch noch preislich deutlich angenehmer ausfallen. Vor ein paar Monaten habe ich dann - an dieser Stelle Asche über mein Haupt - zu einem Sample einer aktuellen, dunklen Abfüllung gegriffen. Aufgrund der akuten Pandemiesituation stieg tatsächlich kurz Panik in mir auf. Ich empfand den Whisky als dermaßen eindimensional, dass ich mich kurz gefragt habe, ob mir ein Teil meines Geruchs- und Geschmackssinns abhanden gekommen war. Eine Rekalibrierung mit einem alten Laddie von Anfang der Neunziger und aus einem schnöden Refill-Bourbonfass konnte mich dann aber beruhigen. Der Tropfen war so gut und vielschichtig wie eh und je.

      Ich glaube, Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle - in zweierlei Hinsicht. Der Konsument von heute will den Whisky trinken, das obligatorische Foto posten und dann weiter zum nächsten Trend. Man könnte sonst etwas verpassen. Aber auch der Produzent/Abfüller heute hat aus meiner Sicht immer weniger Zeit, den noch nicht fertigen Stoff weiter liegen zu lassen. Da wird eben für 2+ Monate in ein halbvolles/halbleeres Sherryfass umgekippt und fertig ist. Der Preisunterschied zu deutlich älteren, reinen Bourbonfass-Abfüllungen ist ja dann auch nur noch marginal.

      An dieser Stelle wäre ich daher allen sehr verbunden, wenn hier schöne und komplexe Bourbonfass-Abfüllungen mit den notwendigen Jahren Reifezeit in nur einem Fass/einer Fassart nicht weiter gehypt werden. Ich find's gut, wenn die Hypezüge an anderen Gleisen abfahren. :-)

      stollimaus schrieb:

      Was hat sich vor ein paar Jahren geändert, dass es heutzutage so viel derart dunkles "Cola-Zeugs" zu kaufen gibt?


      Im Zusammenhang mit (PX-)Finish und Farbe fand ich im Übrigen den Teeling Brabazon #3 ganz interessant. Laut Marketingangaben wurden für das dreijährige Finish PX-Fässer mit über 80 Jahren Einsatzzeit in der Umgebung von Jerez verwendet. Dafür ist der Whisky aber im Vergleich verdammt hell (die schwarze Flasche kompensiert das aus Marketingsicht vermutlich angemessen). Die Frage ist nun, sind die bei Teeling zu doof, um einen ordentlichen Rest im Fass zu lassen, bevor der Whisky reinkommt? Selbst wenn die Story zu den Fässern vom Marketing ordentlich aufgebauscht wurde, bleibt bei "nüchterner" Betrachtung das PX-Finish von immerhin drei Jahren und die dafür schon verdächtig helle Farbe im Vergleich zu den aktuellen dunklen Abfüllungen. Oder braucht es vielleicht eine anständige Seasoning-Suppe, die vorher ins Fass kommt und "richtiger" Sherry ist hier nur hinderlich?

      WindshearAhead schrieb:

      Gibt es eigentlich auch den umgekehrten Ansatz, statt „finishen“ zu „ primen“?
      Also erstmal richtig Sherry Einfluss reinpacken und den dann über die Reifezeit zu harmonisieren?
      Oder würde das die Reifefässer versauen?


      A dark abyss of bliss - Scotch Malt Whisky Society

      Glenallachie 2011 SMWS 107.22 - Bewertungen und Rezensionen - Whiskybase

      Hier ein ganz aktuelles Beispiel, bei dem ziemlich genau das gemacht worden ist. Da war das Sherryfass wohl deutlich zu heftig unterwegs. :D