Dudelsack statt Nebelhorn

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      Dudelsack statt Nebelhorn

      Im Revier der Hebriden ist das Segeln schwierig. Am besten lernt man die schottische Inselwelt bei der jährlichen Classic Malts Cruise kennen

      Keine Chance, die Segelkleidung trocken zu bekommen. Drei Tage sind wir nun schon in der nasskalten Hebriden-See an der Westküste Schottlands unterwegs, doch immer wieder regnet es, mal nur kurz, dann wieder stundenlang. Macht nichts - die Naturkulisse mit Dutzenden spärlich bewachsener und teils unbewohnter Inseln, die Weite des Meeres und nicht zuletzt unsere Segelyacht, die kräftige und stabile "Sealgair", entschädigen für den schottischen Sommer. "Five seasons a day", sagen die Einheimischen - fünf Jahreszeiten pro Tag.

      Das Holzboot, das nach dem Entwurf der erfolgreichen Oyster 46 ganz aus Holz gebaut wurde, scheint wie geschaffen für den scharfen Wind und die meterhohen Wellen des westschottischen Segelreviers, das unter Kennern als anspruchsvoll gilt: Skipper sollten zwischen der Isle of Skye im Norden und Islay im Süden die Gezeiten sicher berechnen können, keine Angst vor einer steifen Brise haben und ständig Wind und Strömung im Auge behalten.

      Segler, denen das alles zu anstrengend ist, oder Freizeitkapitäne, die sich nur einen ersten Überblick über das raue Revier verschaffen wollen, chartern sich eine Koje oder gleich eine ganze Segelyacht mit einheimischem Skipper.

      Eine gute Gelegenheit, die Welt der Lochs, Firths und Sounds, wie die verschiedenen Gewässerflächen in Schottland heißen, kennenzulernen, bietet die Teilnahme an der jährlich abgehaltenen Classic Malts Cruise. Immer im Juli treffen sich etwa 80 Yachten, deren Besatzungen gemeinsam segeln wollen. Und Whisky verkosten; aber das geschieht an Land, etwa in der bekannten Seglerkneipe "Mishnish" an der Uferpromenade von Tobermory, wo auch ein eigenes hochprozentiges Inseldestillat verkostet werden kann. Nirgends sonst gibt es eine solche Dichte an Brennereien, die am besten per Boot bei einem Inselhopping der ganzen Flottille erkundet werden können.

      "Slainte Mhat." Manfred Handschuher ist Teilnehmer der diesjährigen Cruise, und er hat nicht nur die gälischen Worte für "Zum Wohl" gelernt. "Der normale Mittelmeersegler wird hier seine Schwierigkeiten haben", sagt der 54-jährige EDV-Spezialist, der sich mit vier Freunden eine 40 Fuß (etwa 12,20 Meter) lange Jeanneau Sunfast für 3800 Pfund, etwa 4780 Euro, gechartert hat. "Ein bisschen Bammel" habe er schon gehabt, ob er "das Seglerische" in Schottland packen werde, sagt der Münchener. Doch der Törn sei ohne Probleme gelaufen, und das Fahren im Verband gebe zusätzliche Sicherheit.

      Einen Einblick in die Besonderheiten des Reviers erhalten wir spätestens im Golf von Corryvreckan: Beim Passieren der Inseln Scarba im Norden und dem gleich südlich gelegenen langgestreckten Juraeiland fällt es schwer, geraden Kurs zu halten. Grund für die Schlingertour ist nicht etwa ein defektes Ruder. Unzählige Strudel, verursacht von verschiedenen Strömungen, die hier aufeinandertreffen, machen das Steuern so schwierig. Wellen haben plötzlich die Form halbmeterhoher spitzer Kegel, die unseren Bootsrumpf umtanzen.

      "Dramatisch wird es an dieser Stelle, wenn eine Springtide westwärts mit Geschwindigkeiten bis zu zehn Knoten gegen einen Westwind abfließt", sagt Skipper Bob Hunter. Nicht umsonst lägen gerade an dieser Stelle wegen der dann meterhohen, steilen Wellen zahlreiche Schiffswracks auf Grund.

      Ganz in der Nähe des Corryvreckans werden wir Zeugen einer Rettungsaktion. Eine Frau von einem anderen Schiff rutscht bei der Erkundung eines schwer zugänglichen Teils der Insel aus und bricht sich das Bein. Hunter funkt dem Küstenschutz, holt Rettungssignale und den Erste-Hilfe-Koffer herbei. Nur eine halbe Stunde später läuft ein Rettungskreuzer in die Bucht ein, ein Hubschrauber landet auf der nahen Wiese. Für die Verletzte ist der Törn hier zu Ende, alle anderen wissen jetzt wenigstens, dass auch hier, in einem Seegebiet mit zumeist unbewohnten Inseln und rauer Natur, Hilfe schnell zur Stelle sein kann. Gut zu wissen auch, dass unser Skipper schnell reagiert und mit der nötigen Sicherheitsausrüstung an Bord ausgestattet ist.

      Aber das überrascht niemanden, der Bob Hunters Bordregeln kennt: An Deck der "Sealgair" darf sich jeder nur mit angelegter Rettungsweste aufhalten; bei stärkerem Wind oder Manövern muss man zusätzlich den Lifebelt tragen, eine Art Sicherheitsgurt, über den sich Segler mit dem Schiff verbinden.

      Und bevor dann tatsächlich die Segel gesetzt und die Anker- oder Festmacherleinen gelöst werden, wird jede Tagesroute mit der Crew detailliert besprochen. Das schafft Vertrauen. Und gibt Kraft, mit dem nassen Ölzeug und den klammen Segelsachen am Körper einen weiteren schottischen Regenschauer auf Deck zu ertragen.
      [quelle=http://www.welt.de/welt_print/arti2277147/Dudelsack_statt_Nebelhorn.html]Welt Online[/quelle]
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